Frage der Woche - Archiv
Mitoxantron - therapeutischer Durchbruch beim chronisch progredienten Verlauf?
Immer wieder wird der Einsatz diese Medikamentes thematisiert, das schon lange bekannt ist und auch in Deutschland seit Jahren bei besonders aggressiven Verläufen der MS mit mehr oder minder großen Erfolgen eingesetzt wird.
Was ist Mitoxantron?
Mitoxantron (Novantron®) ist wie Azathioprin ein Krebsmittel. Es verhindert die Zellteilung, indem es die DNS-Stränge miteinander verklebt. Auf diese Weise schädigt es alle sich rasch teilenden Zellen, also auch die Lymphozyten, und hat deshalb neben der zytostatischen auch eine immunsuppressive Wirkung.
Mitoxantron ist seit Oktober 2000 in den Vereinigten Staaten für Patienten mit sekundär progredienter MS zugelassen. Grundlage für diese Entscheidung war die MIMS-Studie.
Die MIMS-Studie
Daran nahmen 194 Patienten mit sekundär chronisch progredienter MS teil. 1/3 erhielt 12 mg Mitoxantron/m² Körperoberfläche, 1/3 5 mg Mitoxantron/m² Körperoberfläche und 1/3 Plazebo. Die Behandlung erfolgte mit Infusionen, wobei die Patienten alle 3 Monate eine Infusion bekamen. Nach 24 Monaten hatte sich der durchschnittliche EDSS-Grad in der Plazebogruppe um 0.23 verschlechtert, während in der 5-mg-Gruppe eine Verbesserung um 0.23 und in der 12-mg-Gruppe um 0.13 eingetreten war. In der Plazebogruppe schritt die Behinderung bei 19% fort, in der 5-mg-Gruppe bei 9% und in der 12-mg-Gruppe bei 7%. Die Irrtumswahrscheinlichkeit lag unter 5%.
Für die Mitoxantron-Therapie spricht:
- Mitoxantron ist neben Betainterferon-1b (Betaferon®) die einzige Substanz, deren Wirksamkeit bei der sekundär progredienten MS in einer großen Studie belegt wurde.
- Die Substanz ist gut erforscht wegen ihres bisherigen Einsatzes in der Krebsbehandlung.
- Die Behandlung muss nur einmal in 3 Monaten durchgeführt werden.
Auf der anderen Seite stehen erhebliche Nachteile. Die Therapie mit Mitoxantron erfordert engmaschige Überwachung, denn als Zytostatikum schädigt es die Blutbildung im Knochenmark. Übelkeit, Erbrechen, Haarausfall und Menstruationsstörungen kommen häufig vor. Am meisten gefürchtet ist Kardiotoxizität, also die Schädigung der Herzmuskulatur mit Herzschwäche. Das Risiko steigt mit der Gesamtdosis, die 120 mg/m² nicht überschreiten darf.
Viele Neurologen sind der Ansicht, dass Mitoxantron nur bei schubförmig-progredienten oder rasch progredienten Verlaufsformen in Betracht kommt.
Praktisches Vorgehen bei der Mitoxantron-Behandlung:
- Indikation: schubförmig-progrediente oder rasch progrediente Verlaufsform
- Vor Behandlungsbeginn: Blutbild, Differential-Blutbild, Leber- und Nierenwerte, EKG und Echokradiogramm. Kein Mitoxantron, wenn Leukozyten unter 4.000.
- Aufklärung des Patienten über Nebenwirkungen, Blaufärbung des Urins, Haarausfall, Übelkeit usw.
- Mittels Nanogramm wird die Körperoberfläche bestimmt: niedrige Dosierung: 9 mg/m², hohe Dosierung 12 mg/m², meistens ca. 20 mg pro Infusion.
- Eine Infusion in 3 Monaten, maximale Gesamtdosis 160 mg. Auf sicheren Zugang achten (Braunüle): Gefahr von Nekrosen. Vorlauf mit 250 ml NaCl + 1 A Vomex. Infusion läuft 1-2 Stunden. Dann wieder 250 ml NaCl + 1 A Vomex
- BB-Veränderungen treten in der Regel zwischen dem 5. und 11. Tag auf. Ab 5. Tag täglich BB-Kontrollen, um den sogenannten Nadir (tiefster Punkt) zu bestimmen. Diesen soll sich der Patient merken. Er ist aus zwei Gründen wichtig: 1. ist er immer am gleichen Tag; 2. erlaubt er eine Korrektur der Infusionsmenge. Wenn Mito wirken soll, müssen die Leukozyten auf Werte zwischen 2.000 und 2.500 fallen. Wenn z.B. die Leukozyten auf 1.500 absinken, dann sollte wegen der Infektionsgefahr in der nächsten Infusion 25% weniger Mitoxantron gegeben werden. Wenn Leukos unter 1.500, Isolierung wegen Infektionsgefahr. Die Leukozyten bleiben ein paar Tage unten und steigen dann wieder an.
- Ab einer Gesamtdosis von 100 mg/m² vor jeder weiteren Infusion wieder EKG und Echo.