Startseite      Impressum

MS-Forum Dr. Weihe

Zurück zur Übersicht | Kontakt

Frage der Woche - Archiv


Sind alle MS-Herde gleich?

Nach der klassischen Einteilung gibt es vier Arten von MS-Herden:

  1. frische Herde
  2. aktive chronische Herde
  3. inaktive chronische Herde
  4. Schattenherde

Der frische Herd unterscheidet sich vom chronischen im wesentlichen durch drei Merkmale: Er ist wegen des Umgebungsödems aufgebläht und unscharf begrenzt, er ist reich an Entzündungszellen (Lymphozyten und Makrophagen), und die Makrophagen (Fresszellen) enthalten reichlich Myelintrümmer (phagozytierte weiße Hirnsubstanz).

Lymphozyten:
Im menschlichen Körper gibt es zwei Arten von Lymphozyten ("Gedächtniszellen"): die T- und die B-Lymphozyten. Alle Lymphozyten stammen von Stammzellen im Knochenmark ab. Die T-Lymphozyten greifen Bakterien und Fremdkörper direkt an. Die B-Lymphozyten produzieren Antikörper.

Makrophagen:
Bei den Makrophagen handelt es sich um weiße Blutkörperchen, welche Viren oder Zelltrümmer auffressen (phagozytieren).

Oligodenrozyten:
Oligodendrozyten sind Zellen, die nur im Zentralnervensystem (ZNS) vorkommen. Sie haben viele röhrenförmige Ausläufer,die sich am Ende blattartig verbreitern, sich spiralig um die Nervenfasern wickeln und so das Myelin bilden. Die Myelinummantelung wird auch Markscheide genannt.

Der aktive chronische Herd ist durch einen "Entzündungswall" gekennzeichnet. Im Zentrum des Herdes ist der Vernarbungsprozess weitgehend abgeschlossen, während sich an der Peripherie noch massenhaft Lymphozyten und Makrophagen befinden, also hier der Entzündungsprozess noch fortzuschreiten scheint. Man erkennt die aktiven chronischen Herde an einem rosa Saum mit unscharfer Begrenzung zum gesunden Gewebe hin. Hier schwelt der Entzündungsprozess weiter oder bleibt latent, sodass er immer wieder angefacht werden kann. Diese Herde sind vermutlich für das Wiederaufflackern alter Symptome verantwortlich und könnten auch eine Bedeutung für den Übergang in das sekundär progrediente Stadium haben. Ob die Bildung von chronisch aktiven Herden durch eine Cortisontherapie gefördert wird, bleibt umstritten.

Im Gegensatz dazu sind die inaktiven chronischen Herde scharf begrenzt, "wie ausgestanzt". Abrupt kommt es beim Übergang vom normalen Gewebe in den Herd hinein zu einem Verlust aller Markscheiden und Oligodendrozyten. Die nackten Axone verlaufen durch ein dichtes Fasernetzwerk, das von Astrozyten gebildet wird. Entzündungszellen sind in diesen Herden nicht nachweisbar. Der Entzündungsprozess ist hier zur Ruhe gekommen.

Mit dem bloßen Auge kaum zu sehen sind die Schattenherde. Hier scheint der Zerstörungsprozess glimpflich abgelaufen zu sein, so dass die verbliebenen oder leichter geschädigten Oligodendrozyten in der Lage waren, zugrundegegangene Markscheiden notdürftig zu ersetzen. Schattenherde heben sich bei der Sektion kaum von ihrer Umgebung ab und sind deshalb oft erst am gefärbten Präparat zu erkennen. Auch hier ist der Entzündungsprozess Ruhe gekommen. Vielleicht, weil man sie auf den Hirnschnitten so schlecht sieht, wurden Schattenherde früher für relativ selten gehalten. Sie sind wahrscheinlich sehr viel häufiger. Möglicherweise handelt es sich bei den meisten weißen Flecken im Kernspintomogramm um weitgehend remyelinisierte Herde, also Schattenherde, während die sogenannten "schwarzen Löcher" auf einen höhergradigen Gewebeschaden hindeuten

Zurück zur Übersicht | Kontakt