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Frage der Woche - Archiv


Was ist ein Schub?

Was ein Schub ist und was nicht, darüber kann man lange streiten. Bevor wir jedoch damit anfangen, sollten wir uns zunächst einmal die klassische Definition des amerikanischen Neurologen Charles Poser ansehen. Nach Poser (1992) spricht man von einem Schub, wenn

Zu zählen sind auch eindeutige Verschlechterungen vorbestehender Symptome. Nicht zu zählen sind rezidivierende, wellenförmige Wiederholungen derselben Symptome, sogenannte Fluktuationen. Vom echten Schub in dem so definierten Sinn werden "Pseudoschübe" unterschieden. Darunter wird eine Symptomatik verstanden, die sich unter äußeren Einwirkungen, also Hitze, Infekten oder Stress verschlimmert. Erfolgt die Verstärkung unter Wärmeeinwirkung, spricht man von einem Uhthoff-Phänomen

Schuebe

Sie sehen, das ist gar nicht so einfach mit den Schüben. Als Faustregel kann man sagen: In ¾ aller Fälle sind sich Arzt und Patient einig, dass es sich um einen neuen Schub handelt. Unter den Fällen, bei denen Übereinstimmung herrscht, ist das Wiederauftreten früherer Beschwerden doppelt so häufig wie das Auftreten neuer, bisher unbekannter Symptome.

Das heißt: 25% aller schubverdächtigen Verschlechterungen sind "echte" Schübe, also auf frische Herde zurückzuführen, 50% auf das Wiederaufflackern der Entzündung in alten Herden (Reaktivierungen) und bei 25% bleibt es offen, ob es sich um Reaktivierungen, Pseudoschübe oder Fluktuationen handelt. Wie das in der Praxis aussieht, möchte ich an fünf Beispielen zeigen.

Beispiel 1: Jemand hat vor 3 Jahren eine Sehnervenentzündung rechts und vor zwei Jahren eine Sehnervenentzündung links erlitten. Jetzt verspürt er elektrisierende Missempfindungen im Nacken, wenn er den Kopf nach vorn beugt.

Es handelt sich eindeutig um drei Schübe.

Beispiel 2: Während einer fieberhaften Erkältung kommt es zu einer mehrere Tage lang anhaltenden deutlichen Verstärkung einer schon vorher bestehenden Gehschwäche.

Hier handelt es sich um einen sogenannten "Pseudoschub" im Sinne eines Uhthoff-Phänomens, also die Vortäuschung eines Schubes unter dem Einfluss von Fieber.

Beispiel 3: Bei einem anderen Patienten kam es vor einem Jahr zu einem ringförmigen Druckgefühl in Höhe des Bauchnabels und anschließend zu einer Gangstörung. Die Symptome bildeten sich innerhalb von 3 Wochen wieder zurück. Jetzt, ein halbes Jahr später, hat er eine relativ anstrengende Radtour unternommen. Am nächsten Tag sind seine Beine schwer wie Blei, außerdem sind beide Füße taub. Das Taubheitsgefühl steigt innerhalb von Tagen bis zur Leistengegend auf.

Nach der obengenannten Definition handelt es sich um den 2. Schub. Bemerkenswert ist allerdings, dass die Symptomatik Ähnlichkeiten mit dem vorangegangenen Schub hat, dass hier also vermutlich kein neuer Herd aufgetreten ist, sondern der alte Herd wieder aktiv geworden ist.

Beispiel 4: Eine junge Frau berichtet: "Das Ameisenlaufen in meiner rechten Körperhälfte ist mal besser, mal schlechter. Es kommt auch vor, dass es über Wochen verschwindet."

Diese Symptomatik ist kaum mit einem Schub zu verwechseln. Es handelt sich um sogenannte Fluktuationen.

Beispiel 5: Eine Patientin hatte vor 2 Jahren eine Ungeschicklichkeit der rechten Körperhälfte. Die Störung bildete sich weitgehend, aber nicht ganz zurück. Jetzt ist es über Nacht zu einer deutlichen Verstärkung gekommen, so dass sie für mehrere Tage einen Gehwagen benutzen musste.

Hier handelt es sich wie im Beispiel 3 nach der üblichen Definition um einen Schub. Wenn man es genau nimmt, ist es die Reaktivierung eines alten Herdes. Meist kann die Entscheidung, ob ein wirklicher Schub vorliegt oder nicht, nur von Arzt und Patient gemeinsam getroffen werden.

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