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Frage der Woche - Archiv


Machen Antidepressiva abhängig?

Zu den derzeit beliebtesten Antidepressiva gehören Paroxetin und Fluoxetin. Es handelt sich um einen sogenannten Serotonin-Wiederaufnahmehemmer. Die dahinter stehende Hypothese lautet grob so: Serotonin gehört zu den wichtigen Botenstoffen im Gehirn, mit denen die Nervenzellen untereinander kommunizieren. Es wird von bestimmtem Nervenendigungen freigesetzt, diffundiert durch einen schmalen Spalt, verbindet sich mit einem Rezeptor an der gegenüberliegenden Nervenzelle und erregt sie. Die überflüssigen Moleküle werden von der Nervenendigung wieder aufgenommen und inaktiviert. Wenn nun, wie vermutet wird, Depressionen mit einem Serotoninmangel im Gehirn einhergehen, kann man ihn dadurch beheben, indem man die Wiederaufnahme von Serotonin in die Nervenendigungen verhindert und damit die Serotonin-Konzentration im synaptischen Spalt erhöht. Das ist das Prinzip.

Serotonin-Wiederaufnahmehemmer sind aus vielen Gründen umstritten. Zum einen drängt sich die Frage auf: Wozu dient eigentlich das wiederaufgenommene und inaktivierte Serotonin? Könnte es nicht die Ausgangssubstanz für neues Serotonin sein? Dann würde der Serotoninmangel nur scheinbar und vorübergehend behoben und würde sich später umso stärker bemerkbar machen. Überhaupt könnte man sich fragen, ob der Serotoninmangel bei Depressionen nicht Folge einer chronischen Stressbelastung sein könnte, dass der Serotoninmangel also nicht die Ursache, sondern lediglich ein Glied in der Kette ist, die zu Depressionen führt.Wenn das so wäre, würde man durch eine medikamentöse Behandlung das Ausmaß der Erschöpfung nur verschleiern und eine angemessene Behandlung, nämlich Ruhe, Stressabbau und eine Lebensstiländerung, verzögern.

Vieles, was man dieser Medikamentengruppe vorwirft, bleibt in einem merkwürdigen Zwielicht. In den USA kam es 1989 zum "Prozac-Skandal", von dem man in Deutschland nur wenig Kenntnis nahm. Er wurde durch den Amoklauf des Joseph Wesbecker ausgelöst, der einen Monat zuvor mit einer Behandlung mit Prozac®, das ist der amerikanische Präparatname für Fluoxetin, begonnen hatte. Der Prozess wurde eingestellt, nachdem es zu einer außergerichtlichen Einigung zwischen den Klägern und den Anwälten der Herstellerfirma gekommen war. Man sagt, es seien mehrere Millionen Dollar geflossen. Meine Meinung ist, dass Serotonin-Wiederaufnahmehemmer nicht wirksamer sind als die altbewährten trizyklischen Antidepressiva wie z.B. das Amitryptilin (Saroten®), dass sie aber eine wesentlich höhere Nebenwirkungsrate haben, unter anderen eine merkwürdige Gleichgültigkeit machen und zu einer Akathisie, einer quälenden Bewegungsunruhe in den Beinen, zu Alpträumen, ticartigen Gesichtszuckungen und sexuellen Störungen führen. Die Rate von Selbstmordversuchen ist im Vergleich zu anderen Antidepressiva deutlich erhöht. Vor allem aber werden bei dieser Substanzgruppe Entzugserscheinungen (discontinuation syndrome) beschrieben, die bei Paroxetin mehr als 10 mal häufiger sein sollen als bei Fluoxetin.

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