Frage der Woche - Archiv
Wie gefährlich ist ein Zeckenbiss? (Teil 2)
Was macht man bei einem Zeckenbiß?
Früher wurden zwei Maßnahmen empfohlen: Erstens sollte man die Zecke mit einem Tröpfchen Uhu oder Nagellack abtöten, und sie zweitens im Gegenuhrzeigersinn herausdrehen. Heute weiß man, dass sich ein Teil der Borrelien im Magen der Zecke befindet, und wenn man versucht, sie mit Uhu oder Nagellack zu ersticken, kommt es zu einer vermehrten Speichelabsonderung und damit zu einer Erhöhung der Infektionsgefahr, da sich die Borrelien im Speichel befinden. Experten sagen, dass die Bedingungen für ein Übertreten der Borrelien ins Blut des gebissenen Menschen erst nach einem 24-stündigen Saugen der Zecke erfüllt sind. Demzufolge ist nicht mit einer Infektion zu rechnen, wenn die Zecke bereits nach einigen Stunden entfernt wird.
Auch das Drehen im Gegenuhrzeigersinn hat sich nicht bewährt. Oft wird dabei der Kopf der Zecke abgedreht. Darum ist es besser, sie mit einer Pinzette am Hinterleib zu packen und sie mit sanftem Zug langsam herauszuziehen. Und wenn das Köpfchen trotzdem drin bleibt? Halb so wild! Der Kopf selbst ist nicht infektiös. Es kommt lediglich zu einer lokalen Rötung, die nicht mit dem Erythema chronicum migrans zu verwechseln ist.
Kann man sich gegen die Borreliose impfen lassen?
Verwirrenderweise übertragen die Zecken nicht einen, sondern zwei Erreger: in Südbayern, Baden und Österreich ein Virus, das Ursache der Frühsommer-Meningo-Enzephalitis (FSME) ist, und in ganz Europa die Borrelien. Impfen lassen kann man sich nur gegen das FSME-Virus. Sie erfolgt mit Hilfe von inaktivierten Viren und kann bei Personen vorgenommen werden, die sich in Bereichen mit hohem Infektionsrisiko aufhalten. Es sind drei Teilimpfungen innerhalb eines Jahres notwendig. Diese erfolgen jeweils intramuskulär meist in den Oberarm. Die ersten beiden Impfungen erfolgen im Abstand von ein bis drei Monaten, die dritte Impfung nach neun bis zwölf Monaten. Zu empfehlen ist der Beginn einer Impfung in der kalten Jahreszeit, damit sie pünktlich im Frühjahr schon zur Wirkung kommt. Die aktive Schutzimpfung muss alle drei bis fünf Jahre aufgefrischt werden.
Die Schutzimpfung soll erhebliche Komplikationen haben und paradoxerweise selbst die FSME-Krankheit provozieren können. 1995 ist in Österreich in einem Fall die Auslösung eines MS-Schubes durch die FSME-lmpfung gerichtlich anerkannt worden.
Kann eine Borreliose mit einer MS verwechselt werden?
Es gibt eine chronische, schubartig verlaufende Form der Borreliose, die in Einzelfällen eine entfernte Ähnlichkeit mit einer MS haben kann. Deshalb hatten anfänglich viele MS-Patienten, aber auch Ärzte, gehofft, dass sich hinter vielen MS-Erkrankungen in Wirklichkeit eine Borreliose verberge, die ganz einfach mit Penicillin ausgeheilt werden könne, zumal auch in den Fällen von echten Borreliosen der ZeckenbissXE "Zeckenbiss" häufig nicht erinnert wird.
Diese Hoffnung hat sich leider nicht bestätigt. Obwohl wir routinemäßig alle MS-Patienten auf Borrelien untersuchen, haben wir keine einzige Fehldiagnose gefunden. Etwas verwirrend idt, daß bei vielen Menschen der Antikörper-Titer gegen Borrelien erhöht ist. Das heißt aber nicht, dass sie unter einer „Borre-liose" leiden, sondern nur, dass ihr Blut bzw. ihre Lymphozyten irgendwann einmal in ihrem Leben mit „Borrelien" in Berührung gekommen sind und den Erreger erfolgreich abgewehrt haben.
Ich kenne nur einen Bericht aus der Literatur, in dem berichtet wird, dass ein Junge mit einer fortschreitenden Lähmung der Beine ein Jahr unter der Diagnose MS lief.aber eine chronische Neuroborreliose hatte. Allerdings war hier von den behandelnden Ärzten übersehen worden, dass er weit mehr als 100/3 Zellen im Liquor hatte, also ein Befund, der hätte stutzig machen müssen.
Wann solte man sich antibiotisch behandeln lassen?
Eine Antibiotikatherapie ist nur in zwei Fällen indiziert: im Falle einer akuten Borreliose wie bei dem eingangs geschilderten Patienten oder als Prophylaxe, wenn es an der Stelle des Zeckenbisses zu einem Erythema chronicum migrans gekommen ist. Dann sollte man sich über 5 Tage mit einem Tetrazyklin in Tablettenform behandeln lassen.
Eine Antibiotikatherapie bei der MS "auf Verdacht hin" (Vielleicht ist es ja doch eine Borreliose!) halte ich für unsinnig und unverantwortlich, da der ungezielte Einsatz dieser Medikamente zur Resistenzentwicklung führt, d.h. zur Folge hat, dass immer mehr Bakterien auf Antibiotika nicht mehr ansprechen. Multiresistente Keime sind schon heute ein Riesenproblem, das zwei Ursachen hat: die zu großzügige Verordnung von Ärzten (z.B. bei einer Grippe) und die Verunreinigung des Fleisches mit „Antibiotika", die prophylaktisch bei der Massentierhaltung eingesetzt werden, um Infektionen zu verhindern.