Frage der Woche - Archiv
Fragen zu Blasenstörungen
Schon beim geringsten Harndrang muss ich rennen. Woher kommt das eigentlich?
Die für die MS besonders typische Blasenstörung ist der imperative, d.h. befehlende Harndrang: Man merkt, dass man Wasser lassen muss, muss dann aber sofort sehen, dass man zur Toilette kommt, weil man den Urin nicht lange halten kann. Es gibt ein so genanntes Crescendo der klinischen Symptomatik, das sich vom häufigen Wasserlassen, das noch normal sein kann, wenn man z.B. viel trinkt, über die überaktive Blase (imperativer Harndrang ohne Inkontinenz) bis hin zur Dranginkontinenz (imperativer Harndrang mit gelegentlicher Inkontinenz) erstreckt.
Die Ursache dieses häufigen MS-Symptoms sind meist Rückenmarksherde. Vereinfacht gesagt, wird die Blasenentleerung über zwei Zentren reguliert, von denen sich das eine ganz unten am Ende des Rückenmarks befindet (sakrales Blasenzentrum), das andere im Hirnstamm (pontines Blasenzentrum). Das sakrale Blasenzentrum funktioniert reflexartig, wenn sich eine bestimmte Urinmenge angesammelt hat, zieht sich die Blase, die mit einem schlaffen Gummiball zu vergleichen ist, zusammen. So funktioniert die Blasenentleerung beim Säugling. In der weiteren Entwicklung gerät die Blasenentleerung mehr und mehr unter die Kontrolle des pontinen Blasenzentrums. Es hemmt die Blasenentleerung so lange, bis sich eine günstige Gelegenheit ergibt. Beide Zentren sind durch Nervenbahnen verbunden, die im Rückenmark verlaufen. Werden diese durch MS-Herde unterbrochen oder beeinträchtigt, wird das sakrale Zentrum enthemmt: Die Blase wird überaktiv, und es kommt zum imperativen Harndrang.
Ich kann mein Wasser nicht richtig halten. Was kann ich dagegen tun?
Da die nervöse Steuerung der Blasenentleerung überwiegend über den Parasympathicus läuft, also den Teil des vegetativen Nervensystems, der für Ruhe und Entspannung zuständig ist, kann man diesen durch ein Mittel, das den Parasympathicus hemmt, ein Parasympathicolyticum, ausschalten und somit den imperativen Harndrang vermindern. Mittel der Wahl ist Oxybutynin® (z.B. Oxybutynin® 5mg, beginnend mit 3mal !/2 Tablette). Wenn man nachts häufig heraus muss, nimmt man 1/2-1 Tablette vor dem Schlafengehen, oder wenn man ins Theater oder in ein Konzert will, kann man eine Stunde vorher l Tablette einnehmen. Man muss es selbst ausprobieren, welche Dosierung und welcher zeitliche Abstand am günstigsten sind. Leider können die Nebenwirkungen beträchtlich sein, z. B. Mundtrockenheit, beschleunigter Herzschlag, Kopfschmerzen und Müdigkeit.
Aber man kann es natürlich auch mit pflanzlichen Heilmitteln versuchen. Hier kommen Inconturina® SR Tropfen in Frage, das ist ein flüssiger Extrakt aus Goldrutenkraut. Die übliche Dosierung ist dreimal täglich 10-25 Tropfen, man kann sie aber auch nur bei Bedarf einnehmen. Sie können sowohl beim imperativen Harndrang als auch bei einer Blasenschwäche helfen.
Man sollte jedoch stets bedenken, dass Blasenstörungen nicht auf die leichte Schulter zu nehmen sind. Darum ist immer eine urologische Abklärung empfehlenswert.
Ich habe das Gefühl, meine Blase wird nicht richtig leer.
Mit Blasenstörungen ist bei der MS nicht zu spaßen. Es gibt auf der einen Seite den imperativen (befehlenden) Harndrang (siehe oben), daneben aber auch das Gegenteil, nämlich das Gefühl, das Wasser nicht richtig lassen zu können oder eine Schwäche des Harnstrahls.
Dahinter kann sich die sogenannte „Überlaufblase“ verstecken. Sie ist relativ selten und kommt eigentlich nur in fortgeschrittenen Fällen vor. Ursache ist ein MS-Herd direkt im sakralen Blasenzentrum. Die Blasenfüllung wird nicht mehr wahrgenommen, die Restharnmengen sind sehr hoch, und die Blase entleert sich nur noch nach dem Überlaufprinzip. Durch den Restharn besteht die Gefahr eines Rückstaus des Urins in die Nierenbecken und damit ein hohes Infektionsrisiko. Ein Restharn ist ab 60 ml behandlungsbedürftig. Therapeutisch kommen Parasym-pathomimetika (z.B. Ubretid®, Doryl®, Dibenzyran®) in Frage, die den schlaffen Blasenmuskel stimulieren. Oft ist ein intermittierender Selbstkatheterismus nicht zu umgehen.
Bei niedrigem Restharn kann man es mit Granu Fink Kürbiskernen probieren, die man in jeder Apotheke erhält. Man nimmt 1-2 Esslöffel morgens und abends zerkaut oder gemahlen mit Flüssigkeit ein.