Frage der Woche - Archiv
Trauma und MS
Oft wird die Frage gestellt, ob das Auftreten einer MS im Zusammenhang mit einem vorangegangenen Unfall stehe, zum Beispiel einem Sturz mit Kopfverletzung oder einem Auffahrunfall. Dabei handelt es sich um ein schwieriges gutachterliches Problem, das am besten an einem Beispiel verdeutlicht werden kann.
Der Hauptfeldwebel Hans-Peter G. nahm Anfang Juni 1988 als Kompanietruppführer auf dem Truppenübungsplatz D. an einer Wehrübung teil. Während des Einweisens eines Panzers wurde er von einem umstürzenden Baum auf den behelmten Kopf getroffen. Er war kurze Zeit bewusstlos und brach sich bei dem Unfall die Schneidezähne ab. Der Truppenarzt diagnostizierte eine Commotio cerebri, eine Prellung der rechten Schulter und eine Wirbelsäulenstauchung, und der Soldat setzte schon am nächsten Tag seinen Dienst fort. Wegen anhaltender Kopfschmerzen wurde er vierzehn Tage später für eine Woche im Bundeswehrkrankenhaus behandelt. Dort berichtete er, dass er nach dem Unfall nur mit großen Einschränkungen am Dienst teilgenommen habe, häufige Stirnkopfschmerzen habe, ständig müde und antriebslos sei und keinen Alkohol mehr vertrage. Außerdem fielen ihm noch leichter Schwindel und intermittierendes Schleiersehen vor beiden Augen auf. Er klagte weiterhin über Konzentrationsstörungen und partiellen Gedächtnisverlust.
Im neurologischen Befund wird beschrieben, dass die Sehschärfe auf dem rechten Auge eingeschränkt gewesen sei. Außerdem fanden sich Auffälligkeiten bei den Koordinationsprüfungen: Der Finger-Nase-Versuch war leicht ataktisch, bei den Vorhalteversuchen sanken der rechte Arm und das rechte Bein leicht ab, der Blindgang war unsicher, und im Rombergschen Stehversuch fand sich ein Schwanken nach rechts. Psychisch wurde eine Verlangsamung des Denkens festgestellt bei deutlicher Einschränkung der Konzentrationsfähigkeit. Im Computertomogramm fanden sich keine Hinweise auf Kontusionsherde.
Nach dem Krankenhausaufenthalt wurde G. im Innendienst eingesetzt. Bei der ambulanten Kontrolluntersuchung Anfang Juli berichtete er über Schwierigkeiten beim Wasserlassen mit Neigung zu Harnverhalten. Die Untersuchung ergab Gefühlsstörungen am rechten Oberschenkel und zeitweilig den Verdacht auf eine Gefühlsstörung der linken Körperhälfte.
Da sich die Beschwerden bessern, macht G. wieder normalen Dienst und nimmt dabei u.a. an einem Leistungsmarsch von ca. 100 km teil. Erwähnenswert ist, dass er in diesem Jahr während eines 400m-Laufes wegen Gleichgewichtsstörungen stürzt. Im Herbst kommt es während einer Übung zu einer heftigen Ataxie, die einige Stunden anhält.
Zwei Jahre später wird Herr G. wegen episodischer Zunahme der Beschwerden wiederholt im Bundeswehr-Krankenhaus behandelt. Dort wird schließlich eine Multiple Sklerose diagnostiziert. Die Anerkennung als Wehrdienstbeschädigung aufgrund des Manöverunfalls wird abgelehnt.
Der Zusammenhang zwischen einem Unfall und dem Auftreten einer MS ist umstritten und wird in der Regel gutachterlich verneint. Ich möchte kurz den aktuellen Stand der Diskussion schildern. Dabei wird davon ausgegangen, dass die MS eine chronisch entzündliche Erkrankung des Gehirns und des Rückenmarks ist, deren Ursache unbekannt ist. Es wird vermutet, dass neben einer erblichen Disposition ein viraler Infekt in der Kindheit eine Rolle spielt, der sich jedoch nicht gleich bemerkbar macht, sondern erst nach Jahren oder Jahrzehnten durch einen zusätzlichen auslösenden Faktor wieder aktiv wird und zu einer herdförmigen Zerstörung der weißen Hirnsubstanz führt.
Unter den verdächtigen Erregern befindet sich u.a. das Epstein-Barr-Virus. Gegen dieses Virus sind bei 100% der MS-Betroffenen Antikörper nachweisbar. Allerdings findet man Antikörper auch bei 60-80% der Normalbevölkerung, weshalb allgemein angenommen wird, dass der Erreger, auch wenn er eindeutig identifiziert ist, nur eine notwendige, keineswegs aber hinreichende Ursache für eine MS ist.
Grippale Infekte und bei Frauen eine vorangegangene Entbindung werden als sichere Auslöser einer MS bzw. eines MS-Schubes anerkannt. Auch wenn die MS in Einzelfällen aus heiterem Himmel ohne fassbare Erklärung auftreten kann, besteht weitgehende Übereinstimmung darin, dass außerordentliche körperliche und seelische Belastungen zum Ausbruch einer bisher latenten MS-Erkrankung führen können.
Eine Beziehung zwischen MS und Trauma ist in der älteren MS-Literatur häufig angenommen worden. In dem Handbuchartikel zur Ätiologie der MS zitiert J. W. Prineas zwei Arbeiten (In: Vinken PJ & Bruyn GW eds. Handbook of Clinical Neurology, voI. 9. Amsterdam: North-Holland PC pp. 217-309). Die eine stammt von McAlpine und Compston aus dem Jahr 1952. Die Autoren berichteten, dass sich in einer Serie von 250 MS-Patienten 14% daran erinnern konnten, eine Verletzung innerhalb der drei Monate, die einem Schub vorausgingen, erlitten zu haben. In 22 von diesen 36 Fällen stand die Lokalisation der Verletzung mit der Lokalisation des Erstherdes in Beziehung. Von 250 Krankenhauspatienten mit anderen Erkrankungen, die zur selben Zeit befragt wurden, gaben nur 2,5% eine Verletzung innerhalb der letzten drei Monate vor Beginn ihrer Erkrankung an. In der zweiten Studie aus dem Jahr 1968 fanden Alter und Mitarbeiter, dass 23% von 241 MS-Patienten und nur 14% von 964 Kontrollpatienten sich an eine schwere Verletzung zwischen dem 15. Lebensjahr und dem Ausbruch der Erkrankung erinnern konnten.
Beide Arbeiten, die jeweils von prominenten MS-Forschern stammen, unterstützen die Ansicht, dass körperliche Verletzungen gelegentlich eine MS auslösen oder einen Schub provozieren können. Dies soll besonders für Verletzungen des Kopfes und der Wirbelsäule gelten. Dabei wird vermutet, dass Lymphozyten, die normalerweise durch eine Blut-Hirn-Schranke daran gehindert werden, in das Gehirn und das Rückenmark einzudringen, durch eine Quetschung oder Einblutung Kontakt mit der weißen Hirnsubstanz bzw. dem in ihr ruhenden MS-Virus bekommen und erst hierdurch „allergisiert“ werden und die MS auslösen.
Zu Recht ist kritisiert worden, dass es sich bei den genannten Untersuchungen um retrospektive Befragungen gehandelt hat und die Art und Schwere des Traumas nicht ausreichend spezifiziert wurde. Die wichtigste prospektive Studie, die sich mit dem Zusammenhang zwischen körperlichem Trauma und MS beschäftigt, stammt von Sibley und Mitarbeitern (Sibley, WA et al, J Neurology, Neurosurgery, and Psychiatry 1991, 54:584-9). Hierin wurde keine signifikante Korrelation zwischen Trauma und MS gefunden.
An dieser Stelle muss auf eine notorische Schwierigkeit bei MS-Studien hingewiesen werden, die sich daraus ergibt, dass Schübe und Entzündungsherde im Gehirn nicht gleichgesetzt werden können. Erst in den letzten Jahren wurde deutlich, dass nur etwa jeder 10. frische Herd zu wahrnehmbaren Symptomen im Sinne eines Schubes führt. Grob vereinfacht heißt das: Wenn 10 MS-Kranke einem Trauma oder einer sonstigen schweren seelischen oder körperlichen Belastung ausgesetzt sind, wird nur einer davon mit klinisch nachweisbaren Symptomen reagieren, was statistisch sicher nicht überzeugend ist. Würde aber bei jedem dieser Patienten zwei oder drei Monate nach dem Ereignis eine Kernspintomographie des Gehirns durchgeführt, wäre es denkbar, dass trotz fehlender Beschwerden bei der Mehrzahl der Probanden frische Herde nachweisbar wären, die in sogenannten „stummen“ Hirnregionen liegen. Daraus folgt: Auch wenn ein Zusammenhang zwischen MS und Trauma oder anderen Belastungen existiert, ist er statistisch nicht nachweisbar, wenn man nur das Auftreten von Neuerkrankungen bzw. Schüben untersucht, wie das in den bisher vorliegenden Studien ausnahmslos der Fall ist.
Dass es sich hierbei keineswegs um eine theoretische Erwägung handelt, zeigt eine Arbeit von Mohr, die 2000 in Neurology erschien (DC Mohr et al Psychological stress and the subsequent appearance of new brain MRI lesions in MS. Neurology 2000; 55: 55-61). Er fand eine hochsignifikante Beziehung zwischen stressreichen Lebensereignissen und dem Auftreten frischer Herde im Kernspintomogramm, während sich zwischen Stress und Schüben kein Zusammenhang nachweisen ließ.
Wir wissen also sehr wenig über die MS, ihre Ursache und mögliche auslösende Faktoren. Es scheint so, dass die vorliegenden wissenschaftlichen Studien aus dem oben genannten Grund irreführend sind und in den nächsten Jahren durch die Einbeziehung der Kernspintomographie in klinische Untersuchungen über auslösende Ereignisse ein paradigmatischer Wandel zu erwarten ist. Deshalb erscheint es zum jetzigen Zeitpunkt nicht als gerechtfertigt, einen Zusammenhang zwischen MS und Trauma als wissenschaftlich gesicherte Tatsache abzulehnen. Aufgrund der zitierten Arbeit von D.C. Mohr kann es nicht mehr als zweifelhaft gelten, dass eine Beziehung zwischen der Krankheitsaktivität der MS und stressreichen Lebensereignissen besteht, wobei der Unfall von Herrn G. sicherlich in diese Kategorie hineinfällt
In den Vorgutachten wird der Eindruck erweckt, es sei nur eine Frage der Zeit, bis sich die MS bei Herrn G. manifestiert hätte. Das kann, muss aber nicht sein. Wenn jemand an einer MS erkrankt, kann man darauf schließen, dass er eine Anlage zur MS in sich getragen haben muss, sei es nun eine erbliche Disposition und/oder einen Kontakt mit dem mutmaßlichen MS-Erreger in der Kindheit. Aber der Umkehrschluss, jemand der eine Anlage zur MS hat, müsse zwangsläufig irgendwann einmal in seinem Leben an einer MS erkranken, ist falsch.
Wenn wir von der allgemein anerkannten Vermutung ausgehen, es habe in der Kindheit eine Infektion mit dem MS-Erreger stattgefunden, ist es aus wissenschaftstheoretischen Gründen nicht möglich anzugeben, wie hoch das Risiko unter dieser Voraussetzung ist, tatsächlich im Laufe des Lebens an MS zu erkranken. Man kann jedoch mit Sicherheit sagen, dass dieses Risiko unter 50% liegt.
Das ergibt sich aus der folgenden Überlegung. Gilbert (1983) fand bei 5 von 2450 Obduktionen (dies entspricht 1:490) und Georgi (1961) bei 12 von 15.644 Obduktionen (das entspricht 1:1303) MS-typische Veränderungen im Gehirn von Verstorbenen, ohne dass zuvor klinische Erscheinungen bestanden hatten. Hierbei handelt es sich also um reine Zufallsbefunde. Wenn man beide Zahlen zusammennimmt, ergibt sich, dass die Häufigkeit „stummer“ MS-Fälle etwa 1:1000 beträgt und damit genauso hoch ist wie die Häufigkeit von diagnostizierten MS-Erkrankungen in Deutschland. Das heißt, dass auf jeden diagnostizierten MS-Fall einer kommt, der so milde verläuft, dass er sich dem klinischen Nachweis entzieht (Bates 1994). Dabei kann nur vermutet werden, dass die Zahl von stattgehabten Infektionen mit dem mutmaßlichen MS-Erreger ohne kernspintomographisch oder autoptisch nachweisbare Veränderungen noch sehr viel größer ist. Das heißt: Auch wenn jemand eine Anlage zur MS in sich trägt, beträgt die Wahrscheinlichkeit, manifest an einer MS zu erkranken, im ungünstigsten Fall 50%, ist vermutlich jedoch noch wesentlich geringer.
Zusammenfassend soll mit dem Literaturüberblick dreierlei gezeigt werden:
- Ein Zusammenhang zwischen der Krankheitsaktivität der MS und stressreichen Lebensereignissen ist wissenschaftlich belegt.
- Wenn der Zusammenhang zwischen MS und Trauma wissenschaftlich nicht ausreichend begründet erscheint, beruht dies möglicherweise darauf, dass sich die Studien nur auf die Beziehung zwischen Trauma und Schub bzw. Krankheitsbeginn und nicht auf die wichtigere Beziehung zwischen Trauma und Entstehen von MS-Herden bezogen.
- Auch wenn jemand die Anlage zur MS in sich trägt, beträgt die Wahrscheinlichkeit, tatsächlich an einer MS zu erkranken, im ungünstigsten Fall 50%, ist vermutlich jedoch noch wesentlich geringer.
Nun zum konkreten Sachverhalt. Herr G. erkrankte unmittelbar nach dem Dienstunfall mit Symptomen, die im Nachhinein keinen Zweifel daran zulassen, dass es sich um die Erstmanifestation einer MS handelt. Vorher ist er kerngesund gewesen. Eine erbliche Belastung liegt nicht vor. Bei früheren Übungen sind keine gesundheitlichen Probleme aufgetreten
Im neurologisch-psychiatrischen Nachuntersuchungs-Gutachten aus dem Jahr 1992 wird behauptet, die MS sei (wenn überhaupt) Folge einer Herabsetzung der körperlichen Resistenz durch körperliche Belastungen oder Witterungseinflüsse, die bei Herrn G. im Vorfeld der Erkrankung bei einem längeren Truppenübungsplatzaufenthalt vorhanden gewesen seien. Also wird vermutet, dass ein Zusammenhang zwischen der MS und den Belastungen der Wehrübung besteht, aber nicht zwischen der MS und dem Unfall
Das ist wenig einleuchtend, denn Herr G. hat vorangegangene Übungen mit gleichartiger Kälte- und Nässeexposition ohne gesundheitliche Schäden überstanden. Auch wird das Trauma als „leichte“ Commotio heruntergespielt und der Abbruch der Schneidezähne unerwähnt gelassen. Im Gegensatz hierzu ist festzustellen, dass die Belastungen während der Wehrübung nicht außergewöhnlich waren, außergewöhnlich war der Unfall, der sicherlich als stressreiches Lebensereignis angesehen werden muss. Der Ausbruch der MS ist somit zu diesem Zeitpunkt mit hoher Wahrscheinlichkeit durch den Unfall und nicht durch wehrübungstypische Belastungen ausgelöst worden.
In der Stellungnahme des Sanitätsamtes der Bundeswehr wird ausgeführt, dass es sich bei dem Unfall lediglich um eine leichte Commotio cerebri gehandelt habe. Eine substantielle traumatische Rückenmarks- oder Hirngewebsschädigung habe somit nicht stattgefunden, ein Rechtsanspruch werde damit durch dieses Unfallgeschehen sicher nicht begründet. Das angeschuldigte Geschehen sei also kein wesentlicher Kausalfaktor, sondern eine Gelegenheitsursache. Außerdem werde in der neueren MS-Literatur ein Trauma nicht mehr als pathogener Faktor für die MS angesehen. Ein Zusammenhang der MS mit dem Unfallgeschehen sei also weder für die Entstehung noch den Verlauf dieser Erkrankung mit Wahrscheinlichkeit zu begründen.
Darauf ist Folgendes zu entgegnen:
- Erstens kann auch eine geringgradige Hirnschädigung, die computertomographisch nicht nachweisbar ist, zu einer erhöhten Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke führen. Zweitens kann es bei einem Schädel-Hirn-Trauma zu einer leichten posttraumatischen Subarachnoidalblutung als einziges Zeichen einer substantiellen Hirnschädigung kommen, die sich in den ersten Tagen im Computertomogramm (CT) zeigt, nach mehr als einer Woche jedoch nicht mehr sichtbar ist. Im Falle von Herrn G. wurde das CT erst 13 Tage nach dem Unfall durchgeführt. Ob also eine substantielle Gehirn- oder Rückenmarksschädigung vorgelegen hat, kann also aufgrund der vorliegenden Befunde nicht ausgeschlossen werden.
- Auch wenn der Unfall nicht zu einer direkten Schädigung des Gehirns bzw. der Blut-Hirn-Schranke geführt haben sollte, stellt er doch ein außergewöhnlich belastendes Lebensereignis (mehrminütige Bewusstlosigkeit, Verlust der Schneidezähne, anhaltend starke Kopfschmerzen, gesundheitliche Ängste, Sorgen um die berufliche Zukunft) dar, das seinerseits eine MS auslösen kann.
- Die Aussage, in der neueren MS-Literatur werde ein Trauma nicht mehr als pathogener Faktor für die MS angesehen, ist - wie oben ausgeführt - nicht haltbar. Relativ aktuell ist eine Stellungnahme eines der prominentesten MS-Experten, Charles M. Poser, mit dem Titel „Trauma to the Central Nervous System May Result in Formation or Enlargement of Multiple Sclerosis Plaques“ in den Archives of Neurology (Arch Neurol/Vol. 57, July 2000, 1074-1078). Darin schreibt er: „Bei einigen Patienten mit MS können bestimmte Traumen für einige Zeit als ein Trigger für das Auftreten neuer oder wiederkehrender Symptome wirken. Nur Traumen, die den Kopf, den Hals oder den oberen Teil des Rückens, also das Gehirn und/oder das Rückenmark, betreffen, können als relevant angesehen werden. Diese Annahme basiert auf den beiden Überlegungen, dass eine Veränderung der Blut-Hirn-Schranke eine notwendige Voraussetzung für die Entstehung von MS-Herden ist, und dass ein Trauma des zentralen Nervensystems zu einem solchem Verlust der Undurchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke führen kann.“ Dass sich dieser Zusammenhang bisher einem eindeutigen statistischen Nachweis entzogen hat, führt Poser auf ein fehlerhaftes Design der Studien zurück.
- Der von dem Gutachter vertretene Auffassung, dem Unfall käme allenfalls eine auslösende Wirkung im Sinne eines „letzten Anstoßes“ zu, ist zu widersprechen. Als außergewöhnlich belastendes Lebensereignis stellt der Unfall einen wesentlichen Kausalfaktor dar. Wenn auch nicht ausgeschlossen werden kann, dass die MS bei Herrn G. 5, 10 oder 15 Jahre später in einer vergleichbaren Belastungssituation in Erscheinung getreten wäre, ist zu berücksichtigen, dass viele Menschen nicht bzw. nicht klinisch manifest an einer MS erkranken, obwohl sie eine Disposition dazu haben. Es ist also keineswegs zwangsläufig, dass bei Herrn G. auch ohne das Trauma über kurz oder lang eine MS aufgetreten wäre.
Das Verfahren des Bundeswehrsoldaten ist noch nicht abgeschlossen. Es war mir aber wichtig, Ihnen die Probleme, die bei diesen gutachterlichen Fragestellungen auftreten, an einem Beispiel plastisch zu schildern, nicht zuletzt auch deshalb, damit Sie, wenn Sie selbst einen solchen Zusammenhang zwischen Ihrer MS und einem vorangegangenen Unfall sehen, Anhaltspunkte haben, mit welchen Argumenten und Gegenargumenten zu rechnen ist.