Frage der Woche - Archiv
Soll ich gegen meine Krankheit ankämpfen?
Nicht ganz selten höre ich, dass jemand auf sich und seine Krankheit schimpft, die MS als einen Feind auffasst und sich nicht damit abfinden kann, sich ständig mit der Bedrohung oder Beeinträchtigung auseinandersetzen zu müssen
Nach meiner Erfahrung ist das keine kluge Art, mit der Erkrankung umzugehen - sie wird dadurch nicht friedlicher; im Gegenteil. Ein Tiefpunkt kann auch ein Wendepunkt sein. Und so ist es sicher besser, sich mit der MS zu arrangieren, so wie man sich oft im Leben auf Umstände einstellen muss (der Wegzug aus einer Stadt, in der man viele Freunde und Bekannte hat, in eine neue Umgebung; nach der Heirat das Zusammenleben mit den Schwiegereltern usw.), die einem zunächst ungünstig, belastend oder sogar unerträglich erscheinen.
Es gibt ganz verschiedene Möglichkeiten, wie man mit der Diagnose umgehen kann. Besonders häufig sind die nachstehenden 8 Reaktionen:
- Die Diagnose wird abgelehnt. Die Ärzte irren sich. Es werden Gründe gesucht, warum die Diagnose zumindestens zweifelhaft ist: Im Liquor sind keine oligoklonalen Banden nachweisbar, die VEP sind normal oder die weißen Punkte sind nicht ganz typisch usw.
- Die Diagnose wird zur Kenntnis genommen, aber verdrängt: „Es kommt, wie es kommen soll, ob ich mir nun Sorgen mache oder nicht. Also versuche ich, den Kopf in den Sand zu stecken, lebe weiter wie bisher und hoffe, dass es das Schicksal trotz allem gut mit mir meint.“
- „Die Diagnose ist mir so unheimlich und unangenehm, dass ich mich nicht damit auseinandersetzen möchte. Aber es kann ja nichts schaden, wenn ich jetzt gesundheitsbewusster lebe.“
- „Auch wenn die Ärzte recht haben sollten, ich werde die Diagnose nicht akzeptieren und dagegen ankämpfen so lange ich kann.“
- „Ich habe einige Zeit gebraucht, um die Diagnose zu akzeptieren. Aber mit Hilfe meines Partners habe ich gelernt, dass das Leben trotzdem noch lebenswert ist.“
- „Nachdem ich den ersten Schock überwunden hatte, habe ich langsam begonnen, mich mit meiner Krankheit anzufreunden. Während ich früher einfach in den Tag hinein gelebt habe, freue ich mich jetzt jeden Morgen, wenn ich aufwache, dass ich mich immer noch gesund fühle. Das Leben und die Gesundheit sind für mich wertvoller geworden.“
- „Ich bin krank, aber ich bin sicher, dass ich der Krankheit nicht ausgeliefert bin.“
- „Die Krankheit hat mein ganzes Leben zerstört. Es hat keinen Sinn, gegen sie anzukämpfen. Sie ist doch stärker als ich.“
Die Einstellungen 5, 6 und 7 kommen aus meiner Sicht dem idealen Umgang mit der Krankheit am nächsten. Es soll auch einen Patiententyp geben, der sich durch die Krankheit aufgewertet fühlt, der endlich etwas hat, mit dem er das Mitleid oder die Aufmerksamkeit anderer Menschen auf sich ziehen kann. Er hat kein anderes Thema, spricht von morgens bis abends von seinen Symptomen, was er gelesen, von anderen gehört oder im Fernsehen gesehen hat. Er ist der Schrecken aller MS-Kliniken, niemand will mit ihm an einem Tisch sitzen, man macht einen Bogen um ihn, wenn er vor der krankengymnastischen Abteilung wartet, biegt schnell nach links ab, wenn er einem entgegen kommt. So wird er einsam und immer verbitterter. Es ist sehr schwierig, einem solchen Patienten zu helfen.