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MS-Forum Dr. Weihe

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Frage der Woche - Archiv


Die Behandlung zwischen den Schüben - muss ich mich spritzen? (Teil 3)

Was spricht für die Betainterferone?

Befürworter der Betainterferone sind der Meinung, dass sich die Therapie trotz aller Kritik in der Praxis bewährt habe, und allein darauf komme es an. Als Beleg verweisen sie auf die PRISMS-8-Studie. Dabei handelt es sich um eine offene Fortsetzung der PRISMS-Studie, in der Rebif® mit Plazebo verglichen wurde und die zur Zulassung des Präparats führte. Nach Abschluss von PRISMS wurde dem Teil der Patienten, die Plazebo erhalten hatten, angeboten, sich auf Betainterferone (vorwiegend Rebif®) einstellen zu lassen, und nach 6 Jahren Nachbeobachtungszeit wurden die Patienten , die insgesamt 8 Jahre Rebif® bekommen hatten, mit denen verglichen, die mit zwei Jahre Verzögerung mit der Behandlung begonnen hatten. Durch eine statistisch nicht unumstrittene Extrapolierung der Daten wurde berechnet, dass es bei einem mit Rebif® behandelten Patienten im Schnitt 5,9 Jahre dauert, bis sich sein EDSS-Score um einen Punkt verschlechtert, während dies bei Plazebopatienten bereits nach 2,9 Jahren der Fall ist.

Man sieht, dass die Argumentation etwas kompliziert ist. Abgesehen davon, dass es sich um eine unkontrollierte Studie handelte, in der nur ein Teil der anfänglichen Studienteilnehmer erfasst wurde, und die Verblindung unvollständig war, ist ein Vergleich mit der bereits erwähnten Olmstedt-County-Studie aufschlussreich: In dieser Studie, in der sich überwiegend unbehandelte Patienten befanden, betrug die Zeit, bis der EDSS um einen Punkt zunahm, 10 (!) Jahre. Es fällt übrigens immer wieder auf, dass die Vergleichspersonen in großen Studien unverhältnismäßig schlecht abschneiden. Das ist einer der Gründe, warum viele Ärzte bezweifeln, dass Studienergebnisse einfach auf die Patienten in ihrer Praxis zu übertragen sind.

Gibt es Langzeitrisiken?

Über Langzeitrisiken ist noch nichts bekannt, aber sie sind denkbar. Immerhin führen die Betainterferone zu einer Antikörperbildung, die nicht nur die Wirkung der gespitzten, sondern auch der körpereigenen Betainterferone, die unter anderem eine Rolle in der Krebsabwehr spielen, beeinträchtigt.

Betainterferone so früh wie möglich?

Bis vor kurzem war es nicht möglich, eine sichere MS aufgrund eines einzigen Schubes zu diagnostizieren, auch wenn andere Indizien (oligoklonale Banden im Liquor, Herde im Kernspintomogramm) die Diagnose mehr als wahrscheinlich machten. Aber der zweite Schub kann jahrelang auf sich warten lassen. Um nicht wertvolle Zeit zu verlieren, wurden die bis vor kurzem benutzten Diagnose-Kriterien von Poser durch die McDonald-Kriterien ersetzt. Im Grunde genommen geht es nur darum, dass eine klinisch sichere MS jetzt auch dann diagnostiziert werden kann, wenn anstelle eines zweiten Schubes im Kernspintomogramm drei Monate nach dem ersten Schub ein oder mehrere neue Herde nachweisbar sind. Warum, fragt man sich, dieser Zeitdruck? Die Argumentation bezieht sich auf die bereits besprochenen neuropathologischen Untersuchungen von Trapp und lautet so: Nicht nur in frischen Herden werden mehr Nervenfasern geschädigt, als früher angenommen wurde, sondern es kommt auch in alten Herden zu einem kontinuierlichen Axonverlust. Je mehr Herde also entstehen, desto mehr Nervenfasern gehen kurz- oder langfristig zugrunde, und umso früher wird die Erkrankung in den sekundär progredienten Verlauf einmünden. Da aber die Herdproduktionsrate in der frühen Erkrankungsphase am höchsten ist, ist eine Therapie, die hauptsächlich darauf abzielt, die Neuentstehung von Herden zu unterdrücken, am effektivsten, wenn sie so früh wie möglich einsetzt.

Soweit die Theorie der MSTKG. Die Einwände dagegen habe ich oben genannt. Auch konnte die Annahme bisher auch nicht in Studien belegt werden. Zu bemängeln ist zudem, dass in Therapieempfehlungen nicht differenziert zwischen den relativ gutartigen „weißen Flecken", in denen der Axonuntergang gering oder nicht vorhanden ist, und den wesentlich aggressiveren „schwarzen Löchern", die kernspintomographisch leicht voneinander zu unterscheiden sind.

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