Multiple Sklerose - kurz und bündig
14 Die natürliche MS-Therapie
14.1 Das Gespräch am Bodensee
Ich stamme aus einer berühmten homöopathischen Familie, war aber immer mit Leib und Seele Schulmediziner. Als „Schulmediziner“ wird ein Arzt bezeichnet, der seine Kunst auf der Hohen Schule, d.h. der Universität, gelernt hat und die akademische Denkweise, unter anderem einen naturwissenschaftlichen Ansatz und eine Absicherung des Wissens durch klinische Studien, vertritt. Seitdem ich vor vielen Jahren während eines Kongresses in Lindau am Bodensee zufällig in einen Vortrag geraten bin, der mit der Homöopathie abrechnen wollte, sitze ich zwischen zwei Stühlen.
Ich erinnere mich, als ob es heute gewesen wäre. Die Veranstaltung fand in einem dunklen, eiskalten Hörsaal in einem alten Gebäude am Ende einer Seitengasse statt. Der Vortragende glich schon in seiner äußeren Erscheinung, der kräftigen gedrungenen Gestalt, den scharfgeschnittenen Zügen und der schneidenden Stimme mehr einem Wanderprediger als einem Arzt und Gelehrten. Er wandte sich mit Pathos gegen Scharlatanerie, romantische Naturverklärung und therapeutischen Nihilismus, machte sich über die Homöopathie und über die Signaturenlehre lustig und höhnte über Diät, Phantasiereisen und die Technikfeindlichkeit. Es sei eine ungeheuerliche ideologische Verblendung, mit der Natur blühende Wiesen, Bauern auf dem Felde und den Geruch wilder Kräuter zu verbinden und diese den Reagenzgläsern, Fabrikschloten und Abwässern der Chemie gegenüberzustellen. In unfairer Weise werde eine Verbindung geknüpft zwischen der Zerstörung der Umwelt und dem Einsatz der Chemie gegen Krankheiten. Die Natur sei nur in Rousseauschen Phantasien „gut“, ihr anderes Gesicht seien aber Sturmfluten, Erdbeben, Vulkanausbrüche und Seuchen. Und was die Psychosomatik anbelange, so möge sie gut sein für Menschen mit Neurosen oder eingebildeten Krankheiten. Nur habe sie dort nichts verloren, wo ernsthafte Krankheiten wie chronische Entzündungen oder Tumore vorlägen. Wer einem unheilbar kranken Menschen zu seiner Verzweiflung auch noch den Vorwurf aufbürde, selbst daran schuld zu sein, handele unmenschlich.
Das war der Tenor seiner Philippika, die mit großem Beifall bedacht wurde. Da bat ein älterer Mann ums Wort. Er sprach langsam und bedächtig. Es möge wohl sein, dass sich die Homöopathie wissenschaftlich nicht begründen lasse, viele Ärzte Akupunktur betrieben, nicht weil sie davon etwas verstünden, sondern weil sich viel Geld damit verdienen lasse, und es werde sicher auch viel Leid erzeugt durch das Ungeschick von psychotherapeutisch orientierten Kollegen. Nur stehe es auf der anderen Seite nicht viel besser. Auch die etablierte Medizin sei nicht frei von Schwächen. Zunächst sei da einmal die Medikamentenflut. Allein in Deutschland seien mehr als 50.000 Arzneimittel auf dem Markt. Nach nüchterner Einschätzung seien weniger als 5.000 hilfreich, und auch diese bestünden nur aus Kombinationen von etwa 500 Wirkstoffen. Trotzdem kämen jährlich Tausende hinzu. Seien wirklich alle notwendig, oder hätten sich die Interessen eines großen Industriezweiges verselbständigt? Besonders gefährlich sei unsere Unbedenklichkeit im Umgang mit Antibiotika. Müssten wir uns nicht den Vorwurf machen, dass wir die Abwehrkraft der Menschen immer mehr schwächten, während wir gleichzeitig die Aggressivität der Erreger ständig erhöhten, indem wir bei jedem Fieber, jedem Blaseninfekt Penicillin verordneten? Ein zweiter Kritikpunkt richte sich gegen die Chirurgie. Werde nicht zuviel operiert und durchaus nicht immer, weil es dem Patienten nutze, sondern doch wohl auch, weil noch Platz auf Operationsplänen sei oder Lücken im Operationskatalogen von jungen Kollegen, die den Facharzt anstrebten? Und ein Letztes. Welcher Arzt hätte denn noch Zeit für seine Patienten, könnte sich in Ruhe seine Beschwerden anhören, wisse um seine Sorgen im Beruf und seine Probleme in der Ehe Bescheid? Könne man da nicht die Menschen verstehen, die nach einer persönlicheren Medizin Ausschau hielten? Als er sich gesetzt hatte, war es für einige Sekunden ganz still. Dann klatschte jemand in einer der hinteren Reihen, andere schlossen sich an und schließlich kam es zu einem anhaltenden, anerkennenden Applaus für die Worte des alten Mannes.
Der Professor am Rednerpult lächelte herablassend. Natürlich sei die moderne Medizin nicht vollkommen, und es gäbe auch schwarze Schafe unter den Ärzten. Deshalb sei es aber doch nicht gerechtfertigt, das Kind mit dem Bad auszuschütten. Wem hätten wir es schließlich zu verdanken, dass die Infektionskrankheiten unter Kontrolle gebracht worden seien, die Polio besiegt sei, der Herzinfarkt durch die Behandlung der Risikofaktoren und der Krebs durch Vorsorgeuntersuchungen verhindert oder rechtzeitig erkannt werden könnte? Ganz zu schweigen von der Notfallmedizin, der Vervollkommnung chirurgischer Techniken, dem Herzschrittmacher und den bildgebenden Verfahren wie z.B. der Kernspintomographie.
Auch wenn die Erfolge bei der Krebsbekämpfung noch nicht befriedigend seien und noch viele Probleme auf eine Lösung warteten, so müsse einfach noch mehr geforscht werden. Aber man solle nicht aufgrund einzelner Missstände, die er nicht weniger beklage als sein verehrter Vorredner, zu spekulativen Methoden zurückkehren. Wer die Erfolge der modernen Medizin verunglimpfe, rede naiven Weltverbesserern und Beutelschneidern das Wort.
14.2 Gleiches soll mit Gleichem geheilt werden
Nach der Veranstaltung traf ich den alten Kollegen vor dem Hörsaalgebäude. Wir gingen am Ufer des Sees entlang. Er erzählte mir von seinem Alltag als Landarzt, weit entfernt von jeder Universität, von Menschen, die abergläubisch sind, ein gutes Wort der Aufmunterung und des Trostes brauchen und eine große Abneigung haben vor der erdrückenden Technik und der Verlorenheit in den modernen Kliniken. Es sei nicht viel nötig, um sie zu behandeln. Oft komme man mit den alten Hausrezepten aus. Ich hörte ihm gern zu.
„Ich will der modernen Medizin ihre Erfolge nicht streitig machen,“ sagte er, „aber es gibt zwei verderbliche Einstellungen, die den meisten wahrscheinlich gar nicht bewusst sind. Zum einen: Die Natur sei etwas Niedriges, Feindliches. Sie irre häufig und müsse vom Arzt gezähmt, korrigiert und bevormundet werden. Und zum anderen: Der Körper des Menschen sei wie ein Uhrwerk. Man könne ihn am besten verstehen, indem man ihn auseinander nimmt und analysiert.“
„Ich verstehe Ihre Kritik“, wandte ich ein, „aber was setzen die Kritiker der Anmaßung und der Vereinfachung der Universitätsmedizin entgegen? Abstruse Theorien wie das Similia-similibus-Prinzip, die Potenzierungsregeloder die Signaturenlehre. Ist es ein Wunder, dass sie von wissenschaftlich denkenden Menschen nicht ernst genommen werden?“
Mein Gesprächspartner sah mich etwas amüsiert an. „Tatsächlich handelt es sich um eine ganz andere Auffassung von der Medizin, die wesentlich von der romantischen Naturphilosophie bestimmt wird. Aber so ganz abwegig ist das nicht. Das Similia-similibus-Prinzip, dass also Gleiches mit Gleichem behandelt werden soll, ist eine uralte Weisheit. Es kommt nicht nur in der griechischen Mythologie, sondern auch im Parsival-Epos vor: Klingsor hat Amfortas mit dem Speer eine niemals heilende Wunde geschlagen. Parsival erwirbt den Speer, berührt damit die Wunde und erlöst ihn hierdurch von seinem Leiden.“
„Aber das ist doch nicht mehr als eine hübsche Geschichte!“, warf ich ein. „Glauben Sie mir“, sagte er, „nichts, was sich über die Zeit bewahrt hat, ist ohne Bedeutung. Die Homöopathie hat sich aus einer einfachen Überlegung entwickelt. Die Symptome sind nicht das Wesen der Krankheit, sondern bereits ein Gegensteuern des Körpers. Da der Körper selbst schon gegen die Krankheit kämpft, muss er in seinem Kampf unterstützt werden. Das Fieber und die Entzündung sind also schon Selbstheilungsversuche. Und wenn man es so sieht, dann ist es klar: man muss ihnen zu Hilfe kommen und darf ihnen nicht entgegenwirken. Und überlegen Sie einmal: Heilt man eine Übelkeit bei einer Magenverstimmung nicht dadurch, dass man Erbrechen provoziert? Und wie ist es mit der Impfung? Wird da nicht auch eine Krankheit genau durch das verhütet, das sie hervorruft? Oder denken Sie an die Desensibilisierungsbehandlung von Allergien.“ Ich war verblüfft. So hatte ich das noch nicht gesehen.
14.3 Die Potenzierungsregel
Nachdenklicher geworden sagte ich: „Vielleicht ist das Ähnlichkeitsprinzip doch nicht ganz so abwegig, wie ich eben noch dachte. Aber diese abenteuerlichen Verdünnungen...“
„Die Vorstellung ist, man könne durch eine äußerst geringe Dosierung die Speerspitzen der körpereigenen Abwehr gegen die schädigende Substanz schärfen. Auch hier muss man den historischen Hintergrund bedenken. Samuel Hahnemann, der Begründer der Homöopathie, lebte im 18. Jahrhundert. Man kann die Medizin seiner Zeit gar nicht anders als brutal nennen:
Neben Aderlässen, Blutegeln, Schröpfköpfen, Klistieren bestand sie im unmäßigen Gebrauch giftiger Chemikalien wie Arsen, Blei und Quecksilber. Die Nebenwirkungen übertrafen die Erfolge. Die naturwissenschaftlich schwer nachvollziehbare Lehre, dass eine Substanz desto intensiver wirkt, je verdünnter sie ist (Potenzierungsregel) ist im Wesentlichen auch eine Kritik an den Verirrungen der zeitgenössischen Medizin.“
14.4 Gibt es den Heilgarten der Natur?
„Und wie steht es mit der romantischen Vorstellung, im Garten der Natur wachse gegen jede Krankheit eine Heilpflanze, und es sei sozusagen daran geschrieben, wogegen sie nütze. Rote Beete sind gut bei Blutarmut, und Disteln helfen bei Seitenstechen.“ Das ist die so genannte Signaturenlehre.
„Sicher, darüber kann man sich lustig machen. Das sind übrigens Vorstellungen, die nicht aus der Homöopathie kommen, sondern z.B. von Paracelsus gelehrt worden sind. Die meisten Homöopathen lehnen die Signaturenlehre ab. Ich persönlich benutze sie. Vielleicht nicht so sehr deshalb, weil ich Beweise für ihre Richtigkeit hätte, sondern weil sie eine Einstellung zur Krankheit und zur Natur zum Ausdruck bringt, die mir gefällt. Übrigens gibt es diesen Heilgarten wirklich: Zitronen gegen Skorbut, Lebertran gegen perniziöse Anämie, Fingerhut zur Stärkung der Herzkraft, Opium gegen Schmerzen, Chinarinde gegen Malaria, Penicillin gegen Bakterien, Alkohol zur Desinfektion, das Gift der Tollkirsche gegen Koliken, Lithium gegen Depressionen, Rosskastanienextrakt gegen Krampfadern, Kürbiskerne gegen Prostataleiden, Baldrian zur Beruhigung, schwarzen Tee als Diuretikum und nicht zuletzt Rettichsaft gegen Husten. Wussten Sie, dass jede siebente Pflanze eine Heilpflanze ist, und dass neben Digitalis und Penicillin auch Aspirin und das Hochdruckmittel Reserpin natürliche Heilmittel sind? Acetylsalicylsäure (Aspirin) ist in der Weidenrinde enthalten und Reserpin in den Wurzeln der Rauwolfia-Pflanze.“ Er sah mich ein wenig spöttisch an. „Kaum bekannt ist auch, dass in Kartoffeln geringe Mengen von Diazepam (Valium®) nachweisbar sind; vielleicht, um unser Mittagsschläfchen zu vertiefen.“
Während ich im zuhörte, hatte ich das Gefühl, als ob eine längst versunkene Welt wieder lebendig würde. „Aber möchten Sie wirklich im 18. oder 19. Jahrhundert leben?“
Er lachte. „Ich fände es schrecklich. Aber auch Goethe würde es schrecklich finden, wenn man ihn zwingen würde, in unserer Zeit zu leben - trotz unserer Schmerzmittel und Narkosen.“
14.5 Plädoyer für einen ganzheitlichen Ansatz
Im Laufe der Zeit neige ich immer mehr zu einem ganzheitlichen Ansatz. Er beruht auf den folgenden fünf Grundprinzipien: Das erste ist die Ganzheitlichkeit, von der diese Therapierichtung ihren Namen hat. Damit ist gemeint, dass Körper und Seele nicht zu trennen sind und zwischen ihnen ein kompliziertes Netz von Wechselbeziehungen existiert; zweitens wird vom Patienten erwartet, dass er Mitverantwortung für seine Gesundung übernimmt; drittens wird der Einzigartigkeit jedes Menschen eine hohe Bedeutung zugemessen; viertens. wird eine Selbstheilungskraft des Organismus angenommen, die mit Hilfe natürlicher Verfahren gefördert werden soll. Und fünftens. wird alles gemieden, was in irgendeiner Weise zu einer zusätzlichen Schädigung führen könnte, weshalb man auch von einer sanften Therapie spricht.
Vieles davon habe ich in diesem Seminar bereits angesprochen: Die Mitverantwortung, der jungen MS-Betroffenen, welche die Bergwanderung in Katmandu unternahm, die Selbstheilungskraft des Körpers, die möglicherweise durch Cortison geschwächt wird, und die Entscheidung für eine sanfte Vorgehensweise am Beispiel des bedrückenden Falls der Gymnasiastin. Bleiben die Ganzheitlichkeit, also der Zusammenhang zwischen Körper und Seele, und die Einzigartigkeit.
Ein entscheidender Wesenszug der MS ist, dass sie sich in einem labilen Gleichgewicht, also in einer Pattsituation zwischen der Aggressivität des Erregers und den Verteidigungskräften des Körpers befindet. Schließlich zeigen ja sowohl die Rückbildung der Symptome als auch die langen Ruhephasen zwischen den Schüben, dass es dem Immunsystem möglich ist, die Krankheit in Schach zu halten. In den vielen Fällen mit einer leichten Form der MS, kann es nur dann zu einem Schub kommen, wenn die Abwehrkräfte darniederliegen. Darum kann es wichtiger sein, körperliche und seelische Überlastungen zu vermeiden, als den Erreger zu bekämpfen.
Hippokrates, der Vater der Medizin, kannte keine Erreger und keine Irrtümer im Immunsystem als Ursache von Krankheiten. Für ihn war Krankheit ein Ungleichgewicht der Körpersäfte; krank war der Mensch als Ganzer. Nach seiner Meinung beschreibt die Diagnose nur etwas Oberflächliches, das einigen Betroffenen gemeinsam ist, aber das Wesentliche nicht trifft. In der Tiefe habe jeder seine eigene Krankheit, die geprägt wird von seiner Konstitution, seinem Temperament, seiner Erziehung und seiner Lebensweise. Erst im Mittelalter hat man versucht, Krankheiten zu personifizieren so wie das Böse mit dem Teufel gleichsetzte. Seit jener Zeit hält sich hartnäckig die Vorstellung, Krankheit sei so etwas wie ein haariges, wildes Monster, das den Menschen befalle wie ein Parasit. Das hatte entscheidende Auswirkungen auf die Therapie. Während man früher davon ausgegangen war, man könne das in Unordnung geratene Gleichgewicht durch eine Rückkehr zu einer vernünftigen Lebensweise wiederherstellen, versucht man jetzt, die Krankheit auszurotten wie Unkraut in einem Garten.
Die MS ist als die „Krankheit mit den 1000 Gesichtern“ bezeichnet worden. Daraus folgt zunächst: Es gibt kein allgemein verbindliches Therapieschema für die MS, denn wenn die Krankheit selbst individuell ist, so muss auch die Therapie individuell sein. Aber noch etwas anderes ist wichtig: Eine der Besonderheiten der MS ist, dass die Patientin jahrelange Erfahrung mit ihrer Erkrankung hat, jede Nuance spürt, wie die MS auf seelische Belastungen, körperliche Anstrengungen, das Wetter, Medikamente, bestimmte krankengymnastische Übungen, Hitze, Massagen usw. reagiert, und sich deshalb in vielerlei Hinsicht viel besser auskennt als ein noch so guter Arzt.
14.6 Was würde ich tun, wenn ich selbst eine MS hätte?
Trotzdem werden Sie wissen wollen, wie eine MS aus ganzheitlicher Sicht konkret behandelt werden kann. Die Frage lässt sich am besten beantworten, wenn ich mir vorstelle, ich wäre selbst an einer MS erkrankt.
- wäre es für mich wichtig, einen Arzt oder eine Ärztin zu finden, dem oder der ich vertraue, jemanden, der mich zu Wort kommen lässt, mir zuhört und das, was ich gesagt habe, sorgfältig in seinem/ihrem Rat mitberücksichtigt
- würde ich zunächst einmal auf eine vernünftige Lebensweise und pflanzliche Heilmittel setzen. Das beste Heilmittel beim Schub ist Ruhe und nicht Cortison. Wer das entzündliche Ödem auf eine sanfte Weise zum Abschwellen bringen will, dem sei Bromelaine empfohlen:
- Bromelain 200mg 3mal 3 Tabletten über 3 Tage,
- dann 3mal 2 Tabletten über 3 Tage und schließlich
- 3mal 1 Tablette über 3 Tage.
- berstes Prinzip bei der Behandlung wäre für mich das Prinzip, keinen zusätzlichen Schaden zuzufügen. Betainterferone, Glatirameracetat und Azathioprin kämen für mich erst dann in Frage, wenn es handfeste Gründe dafür gäbe, dass ich zu dem kleinen Prozentsatz mit einem aggressiveren Verlauf gehörte.
- Zwischen den Schüben würde ich den bereits erwähnten Antioxydantien-Cocktail einnehmen:
- Vit E 200-400 mg/Tag
- Vit C 1 gestrichener Teelöffel/Tag
- Selen 50 Mikrogramm/ Tag
- Zink 5 mg/Tag.
- Das Müdigkeitssyndrom würde ich als vernünftige Stimme des Körpers sehr ernst nehmen: Es warnt mich vor Überlastung und schützt mich davor, einen neuen Schub zu provozieren.
- Ich würde mich ganz sicherlich gesund ernähren. Wie man das macht, davon wird später die Rede sein.
- Ob ich auch den Rat eines Psychotherapeuten einholen würde? Ja, wenn ich den Eindruck hätte, dass sich meine MS unter seelischen Belastungen verstärkt. Denn wenn eine Krankheit auf die Lebensumstände reagiert, dann ist es auch wahrscheinlich, dass sie durch eine Änderung der Lebensumstände beeinflusst werden kann.
14.7 Eine kleine Auswahl aus der Hausapotheke
Die alten, erprobten Hausmittel kommen in MS-Büchern, die sich für seriös halten, immer zu kurz. Im Folgenden scheue ich mich nicht, Ihnen einige davon zu verraten.
14.7.1 Müdigkeit
Als Therapie des Müdigkeitssyndroms ist an erster Stelle Ginseng zu nennen. Weil meine Frau aus Korea stammt, bekommen wir die Wurzeln für unseren eigenen Bedarf von ihrer Schwester zugeschickt. Meine Frau bevorzugt roten Ginseng und 6 bis 7 Jahre alte Wurzeln. Etwa 30 g davon werden in Scheiben geschnitten, in 1½ Liter Wasser gegeben und zum Kochen gebracht. Man sollte einen Kochtopf aus Keramik, Ton oder Jenaer Glas nehmen, auf keinen Fall einen Metalltopf. Die Ginsengwurzel wird etwa 2 Stunden bei schwacher Hitze gekocht, bis das Wasser bis auf 1 Liter (8 Tassen) verdampft ist. Man trinkt den Ginseng-Tee lauwarm dreimal täglich vor den Mahlzeiten. Er schmeckt angenehm erdig und je nach Geschmack kann man ihn mit etwas Honig süßen. Nach drei Tagen wird der Vorgang mit den bereits gekochten Wurzelscheiben wiederholt. Jede Portion kann insgesamt dreimal aufgekocht werden, dann kommt das nächste Stück Wurzel dran. Eine Kur dauert in der Regel vier Wochen und wird am besten zu Frühjahrsbeginn und Anfang Herbst durchgeführt. Während dieser Zeit sollte man auf schwarzen Tee oder Kaffee verzichten.
Neben Ginseng gibt es ein Geheimrezept: Arnica D3 10 ml, Cactus D1 10 ml und Crataegus D1 10 ml. Man muss ausprobieren, welche Mischung am wirksamsten ist. Die Dosierung ist sehr individuell. Die einen nehmen aus jedem Fläschchen dreimal täglich 3 Tropfen, andere z.B. dreimal täglich 1 Tr. Arnica, 2 Tr. Cactus und 5 Tr. Crataegus. Man muss ausprobieren, mit welcher Kombination man am besten hinkommt.
14.7.2 Konzentrations- und Gedächtnisstörungen
Seit dem Altertum wird der Gingkobaum in den Tempelgärten Chinas verehrt und gepflegt. Gingko gehört zu den Antioxydantien und soll auf das Immunsystem einen dämpfenden Einfluss haben. Einige meiner Patientinnen nehmen Rökan® 3mal 20 Tr. täglich, andere Tebonin® spezial 80 mg 1 bis 2 Filmtabletten pro Tag.
14.7.3 Schwindel
Cocculus D12 5 Globuli bei Bedarf, kann bis zu dreimal in einer halben Stunde wiederholt werden. Oder (wenn ein niedriger Blutdruck bekannt ist): Korodin® (Campher + Weißdorn) 3mal täglich 10 Tropfen auf einem Stück Zucker oder unverdünnt, bzw. bei akutem Schwindel alle 10 Minuten 5-10 Tropfen.
14.7.4 Schlafstörungen
Baldriparan® N stark 1-2 Drg. vor dem Schlafengehen. Oder: Röwo-Sedaphin (Ignatia D4, Valeriana, Lupulinum, Sumbulus moschatus usw.) 20-40 Tr. zur Nacht.
14.7.5 Depressionen
Johanniskraut, z.B. Jarsin® 2-3mal täglich 1 Dragée à 300mg.
14.7.6 Schutz vor Erkältungen
Bei drohenden Erkältungen empfehle ich Meditonsin®-Lösung (Aconitum D5, Atropinum sulfuricum D5, Mercurius cyanatus D8) stündlich 5-10 Tropfen. Oder: Sinupret (Eisenkraut, Sauerampfer, Holunderblüten, Schlüsselblumen und Enzianwurzel) 3mal 2 Dragées.
Bei Infektionen der oberen Luftwege: Japanisches Heilpflanzenöl (Menth. Jap.). Zur Inhalation 2-3mal täglich 3-4 Tropfen in heißes Wasser geben und die Dämpfe einatmen.
Bei fieberhaften Erkältungen: KNEIPP® Erkältungs-Tee (Lindenblüten, Holunderblüten und Thymian). 1 Beutel mit siedendem Wasser übergießen und abgedeckt ca. 10 Minuten ziehen lassen. Mehrmals täglich eine Tasse frisch zubereiteten Tees trinken.
14.7.7 Blasenstörungen
Bei imperativem Harndrang wird von Naturheilkundlern Goldrutenkraut (Inconturina SR®) dreimal 10-25 Tropfen oder bei Bedarf empfohlen. Bei Blasenschwäche oder Harnverhaltung ist ein Versuch mit Granu Fink® Kürbiskernen angezeigt: 1-2 Esslöffel morgens und abends zerkaut oder gemahlen mit Flüssigkeit.
Bei einer Neigung zu Harnwegsinfekten kann eine Kombination von Cranberry-Saft mit Bärentraubenblättertee helfen: Eine Woche lang je ein kleines Glas Cranberry-Saft morgens und abends, dann eine Woche lang morgens und abends eine Tasse Bärentraubenbättertee. Cranberry ist mit der Preißelbeere verwandt und findet seit Jahrhunderten als entzündungshemmendes Mittel besonders bei Blasen- und Niereninfektionen Anwendung. Es soll die Anheftung von Coli-Bakterien an die Blasenschleimhaut verhindern. Für den, der den Tee nicht mag: Arctuvan® 3mal 1 bis 3mal 2 Filmtabletten. Eine alternative Möglichkeit ist Cystinol®-Lösung (Fol. Betulae, Herba Equiseti, Herba Solidaginis virgaureae; Fol. Uvae ursi) dreimal täglich 1 Messkappe.
Zur Beachtung: Bei Blasenstörungen immer einen Urologen hinzuziehen. Die Bestimmung des Restharns ist wichtig. Dieser sollte nicht mehr als 50 bis 100 ml betragen.
3-5 Backpflaumen über Nacht in Wasser einweichen und morgens zum Frühstück essen. In hartnäckigeren Fällen: ½ bis 1 Glas Sauerkrautsaft morgens zum Frühstück. Oder Agiolax® Granulat (Plantago-ovata-Samen, Tinnevilly-Sennesfrüchte) abends nach dem Essen und je nach Bedarf auch morgens vor dem Frühstück 1 Teelöffel Granulat unzerkaut mit reichlich Flüssigkeit hinunterschlucken.
14.7.9 Sexuelle Probleme
Bei der Spastik hilft in leichten Fällen Magnesium, z.B. 1-2mal täglich ein Briefchen Magnesium Diasporal® 300 in etwas Flüssigkeit lösen und trinken. Nicht wenige Patientinnen berichten Gutes über Cefaplenat®-Tropfen. Das ist ein homöopathisches Heilmittel, und es enthält u.a. Agaricus muscarius D4 (Fliegenpilz), Viscum album D1 (Mistel), Selenium D6 und Camphora D1. Je nach Wirkung nimmt man 3mal täglich 10-30 Tropfen ein.
An dieser Stelle sollte auch Cannabis nicht unerwähnt bleiben. Bei nächtlichen spastischen Krämpfen empfehlen Insider das folgende Rezept: 1 Teelöffel Honig über einer Kerzenflamme erhitzen und etwas Cannabisharz (kleiner als ein Stecknadelkopf) darin auflösen. Das Ganze in ein Glas grünen Tee mischen und vor dem Schlafengehen trinken. Cannabis kann man in Holland ganz legal in Cafés, den so genannten Coffee-Shops kaufen (5g kosten etwa 10 €). Es ist aber nicht legal, es über die Grenze mit nach Deutschland zu nehmen!
Spastik
Bei sexuellen Problemen soll vor allem bei Frauen Damiana-Urtinktur wirken: 30 Tropfen in ein halbes Glas Wasser und in kleinen Schlucken trinken. Da es über die Mundschleimhaut wirkt, sollte man es möglichst lange im Mund behalten. Die Wirkung setzt etwa ¼ bis ½ Stunde nach der Einnahme ein. Gegen Impotenz und Frigidität gibt es auch ein Rezept von dem berühmten französischen Kräuterdoktor Mességué: Aufguss mit 1 Prise Bohnenkraut, 1 Prise Basilikum, 1 Prise Rosmarin, 1 Prise Anis und 1 Prise Salbei pro Tasse. Davon trinkt man jeden Abend eine Tasse vor dem Zubettgehen. (Eine Prise ist die Menge, die man zwischen Daumen und Zeigefinger halten kann, entspricht etwa 2-3 g getrocknete Blüten oder Blätter; und für einen Aufguss werden Blüten, Blätter, Wurzeln usw. mit kochendem Wasser übergossen, dann lässt man das Ganze einige Minuten lang ziehen.)
14.8 Das Haus der Medizin
In meiner Lieblingskomödie von Curt Goetz gibt es eine Stelle, wo sich Dr. med. Hiob Prätorius vor einem medizinischen Ehrenrat verantworten muss, weil er sich einmal als Heilpraktiker betätigt hatte. Zu seiner Verteidigung sagt er: „Früher heilten die Priester, indem sie das Böse und damit die Krankheit austrieben. Dann kamen die Kräuterweiber und machten ihnen Konkurrenz. Was half mehr? Die Kräuter oder der Hokuspokus. Beides half. Und zwar am besten vereint. Aus dieser Erkenntnis entstanden die Medizinmänner. Sie nahmen Kräuter, machten Hokuspokus dazu, und ihre Erfolge waren enorm. Ich wundere mich, warum es die einen jetzt wieder nur mit der Suggestion, die anderen nur mit der Arznei und die Chirurgen es nur mit dem Messer schaffen wollen. Es liegt doch auf der Hand, dass eine Verquickung aller drei Methoden die alten Wunder in verstärktem Maße erneuern müsste.“
Im Gegensatz zur „immunmodulatorischen Stufentherapie“ gefällt mir das schlichte Bild vom Haus der Medizin: Unten, im Erdgeschoss, ist alles untergebracht, was man selbst tun kann, also gesunde Ernährung und eine Änderung des Lebensstils (Stressabbau, Lösung von Ehekonflikten, evtl. Psychotherapie). Falls das nicht ausreicht, geht man ein Stockwerk höher zu den naturheilkundlichen Maßnahmen. Und wenn das nicht nützt, sollte man sich nicht scheuen, die Hilfe der Schulmedizin in Anspruch zu nehmen, die im obersten Stockwerk wohnt.